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SHIMSTRUMENTAL "Gottkomplex"

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

05-2018

Label: 

Genre(s): 

Kennt noch wer die kultigen Cottbuser Grind-Gore-Dance-Ballermänners von Suffelicious? Jede/-r, der/die sie je Live gesehen hat, dürfte höchster Freude sein, dass deren ehem. Frontmikrodancer Siggi mit seinem Projekt Shimstrumental zurück ist. Wer nun allerdings Grind/Gore oder gar beides zusammen erwartet, wird mittels dieses Albums eher enttäuscht werden, das große Aber ist, dass Siggi trotzdem noch genug Metal im Hintern hat und mit seinem Zweitrelease "Gottkomplex" etwas Vielschichtiges rausgeballert hat, das seinesgleichen erst einmal lange Zeit suchen wird. 

Zwar weiß ich nicht, ob Siggi sich bzgl. des Albumtitels vom eher nicht ganz so bekannten, gleichbetitelten Pyogenesis Stück (*vom 1.995er Album "Twinaleblood") hat inspirieren lassen, aber alleine die musikalische-, wie auch gedankliche Brücke ist nicht ganz abwegig. ;-)

Wenn man sich an den Releases orientiert, dürfte Shimstrumental (wat'n Zungenverknoter!) in der Drehe 2.011/-12(?) gegründet worden sein?! Allein Siggi's kreativer Motor hat mich persönlich schon zu Suffelicious Zeiten völlig auf links gedreht und lässt im Grunde auch nur die Frage des "Wie" offen. Sprich: Wie (im Sinne von: In welcher Form) wird er seinen kreativen Input in Richtung Output führen? 

Bereits das zaghaft-synthetische "Rein" (Track 1), bei dem sogar Geigentöne zu vernehmen sind, deutet etwas an, das man zunächst (beim Erstdurchlauf) kaum einzuschätzen vermag. Die Ruhe vor dem-/im inneren Sturm? Der Weg führt zu(m) "Amen" (Track 2; Anspieltip I), das eine Mischung aus orientalischen Elementen, Das Ich und The Prodigy zu Ohren fließen lässt. Die dezente Wirkung der Instrumentierung inmitten des Minimal-Hardbeats bewegt sich auf Keyboardflächen und weiß direkt das Interesse zu wecken. Man könnte fast von einer Art "Endzeitmucke" sprechen, was auch das Albumtitelstück "Gottkomplex" (Track 3) unterfüttert. Stilistisch im Dark Hip Trip Hop, kommt vor allem die Message mit viel Spits rum. "Abgeklärte Misanthropen im sozialen Konflikt, letzter Upload brachte leider etwas weniger Clicks..."

Thematisch geht Shimstrumental auf so einige Brandfelder, u. a. auch das der konstant-dramatischen Flüchtlingswelle(n) mit immer wieder weiteren Todesopfern, was via "Die Kinder der Anderen" (Track 4) in düsterem Rahmen wie aus der Realität geschnitten klingt. Das Szenario klingt so beklemmend wie es ist, was dem Text just eben jene Realballung mitgibt - "...ist das Boot im Meer gekentert, treibt der Leib in Richtung Festland, so entfesselnd ist die Tragik, emotionslos lebt man weiter, an den Küsten unserer Heimat fließen tränen der Gemeinschaft..." Mehr auf den Punkt geht fast nicht. Chapeau! Wenn es auch musikalisch eher schwere Kost ist. Man fühlt sich (bewusst) eingeschnürt wie ein mit Ketten umklammertes Wesen, das in Zeitlupenwahrnehmung durch die Tonalsphären von Shimstrumental läuft - "Brett" (Track 5). Alles künstlerisch hochwertige Kost, die echten Anspruch innehat. Fans von Das Ich werden Shimstrumental lieben. Egal ob es rein instrumental (wie bei diesem Stück) zugeht oder ob Shimstrumental die-, bzw. seine Welt durch's Mikro zerrt. Allein die Mischung aus Experimentierfreude, Sounds und modernen Elementen machen den Eigencharme von Shimstrumental aus. Da haben selbst zwischenmenschliche Resümees so gar nichts Abgedroschenes - "Echs" (Track 6; Anspieltip II), wobei Shimstrumental hier (fast beiläufig) auch in weiser Vorsehung diverse Hip Hop Proleten der Nichtigkeit ihrer lippenleeren Worte zurück/zu-ver-weist. 

Mit scharfsinnigen Worten eigener Blickwinkel bringt auch "Alles perfekt" (Track 7; Anspieltip III) perfide-doppelmoralische Lebensentwürfe auf Punkt und Pointe. Eine Berlin-vertraute Thematik bricht durch das dünne Eis der Oberfläche. Ursache und (Aus-)Wirkung treffen hier aufeinander wie die Zungen eines Zahnarzt-Angstpatienten und einer Champagner-saufenden High-Society-Pelzträger-Alkoholikerin. Ich wünschte, es gäbe mehr Beachtung, mehr Wille sich gerade mit solchen Themen auseinanderzusetzen, stattdessen findet eher ein kollektives Ab-Durchwinkerei statt, weil es furchtbar anstrengend, zeitraubend sein kann sich mit Wahrheiten "abzuplagen". Wer aber die Wahrheit von heute verdrängt, wird morgen schon das Nachsehen haben, weil genau davon immer auch Leute (ohne Herz und Seele meist) fett davon profitieren und dementsprechend abkassieren. Wenn Profit die Antwort auf die Frage ist, ist auch "Alles perfekt". 

Was bislang von der Soundproduktion eine gewisse Konstante innehat, könnte hier und da noch fetter wirken. Die Stücke selbst wirken insgesamt alle recht eigenständig, trotz dessen, dass sie auch in gewisser Weise verbrüdert/verschwestert sind. "Der Kräftige" (Track 8) hebt sich davon etwas ab, zumindest gefühlt. Vielleicht ist dem so, weil die Bassline etwas catchier ist und auch ein wenig an frühere Phase V Tripbeschreibungen erinnert. Insgesamt gesehen/gehört ist dieses Stück sogar in der Nähe von Clubtanzflächen angesiedelt. Vor allem die Beatprogrammierung hat Trip-igkeit in den Membranen, die in den Skill-Fills von Blasinstrumentfunken gelicked wird. Leicht verwunderlich, dass erst "Vergiftet" (Track 9; Anspieltip IV) sich thematisch näher mit Alltag und Religion auseinandersetzt, zumindest, wenn man an den Albumtitel und ein mögliches Konzept denkt. Fakt ist auf jeden Fall, dass Shimstrumental mit ihrem düsteren Electro Trip Hop Bock auf ein Konzerterlebnis machen. 

Die Eelectro-Trip Ausrichtung scheint immer wieder kurz vor dem Hardbeatlauf zu stehen wie man es von diversen Electro-Goth-Acts kennt. Shimstrumental ist von daher aber genauso klasse ausbalanciert wie die bereits mehrfach erwähnten das Ich, die mir stilistisch am Nächsten als Einfluss/Ideengeber im Raum stehen - "Krieg" (Track 10). Mit "Raus" (Track 11) geht es wörtlich in Richtung Ausgang. Ähnlich wie "Rein" dient "Raus" als rein instrumentales Expressionsmittel, um den Kreis hier zu schließen. 

P.S.: Es sei noch ergänzend angemerkt, dass Shimstrumental ein Zwei-Mann-Projekt ist. Eingangs erwähnter Siggi steuert Texte und Vocals bei, während die Musik komplett von dem mir völlig unbekannten "Kelle" stammt.

Dieses Album will gefühlt, erlebt und verstanden werden. Alles andere als leichte Rohkost bietet Shimstrumental hier die Befühlung einer gar nicht so sonnigen Realität. Wenn man das konstruktiv (an-)nimmt, kann das sogar positive Früchte tragen. 

8,0/10 Schafe Schüsse

(Shimstrumental 2.018)

https://shimstrumental.bandcamp.com/

https://www.facebook.com/Shimstrumental-157551990953076/?ref=br_rs

Danny B

Schaf Schüsse: 

8
Eigene Bewertung: 8

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