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KREFTICH "Niemals stumm"

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

10-2018

Label: 

Genre(s): 

Ihr kennt das, 'ne Band, die seit 21 Jahren in irgendeiner Form aktiv ist und ein paar Scheiben veröffentlicht hat (von denen zuletzt 2.011 das Album "Bis hierhin und dann weiter" erschien) und sich nach 7 Jahren mit 'nem neuen Album zurück meldet. Alles völlig belanglos und normal, oder?

Wie so oft, checkte ich vorab erst mal ein Hörbeispiel vor, ob es denn überhaupt meinen Geschmack trifft bzw. ob da vom Grundinteresse überhaupt irgendetwas bei mir geht? Und da ging letztlich was, das mich zum ersten Vollkontakt mit Kreftich brachte, die in Dinslaken/Duisburg verteilt die Luft wegatmen. ;-) Es ist immer wieder erstaunlich von wie vielen Bands man so überhaupt keine Notiz nimmt in all' den Jahren, die man schon Punk Rock hört. Ich frage mich immer wieder warum so viele Bands von einer Art Schattendasein verschlungen werden? Und während ich so in mich hinein molog-sinniere, läuft bereits der Ska Punk versetzte Einsteiger "Gegenwind" (Track 1), bei dem man vor allem mit mehrstimmigen Gesängen glänzt, die handwerklich top sind. Warum ich mich ein klein wenig an die Jungs von Rasta Knast erinnert fühle, kann ich aktuell noch immer nicht so ganz klar umreißen. Textlich bieten Kreftich gehaltvolle Kost, die einem Versprechen gleichkommt. Während "Gegenwind" noch die antirassistische Haltung thematisiert, bringt "In den Hafen" (Track 2) ganz andere Winde mit. Selten hat man solche Art von Seefahrerromantik auf so abwechslungsreiche-, aber einfach gehaltene- und doch unterschiedliche Tempostrecken gehört. Fakt ist, dass das Album zwar keinen Kickstart hinlegt, doch mit jedem Stück ein wenig mehr zulegt und man sich ganz entspannt an die Mucke gewöhnen kann. Auch "Überall, nirgendwo" (Track 3) sieht sich nicht veranlasst Pogopunk zu zocken, sondern die Message an den Hörer/die Hörerin zu bringen, was musikalisch gesehen zu keinem Zeitpunkt stagniert, sondern im Eigenlauf bleibt. 

Zugegeben, wenn man einen Titel wie "Der Berg ruft" (Track 4) liest, fühlt man sich zeitversetzt, als diese drei Worte durch die Charts und Radios hallten, was wiederum vergegenwärtigt mit wie viel sinnloser Scheiße mancher Act (bzw. meist deren Labels) 'ne Menge Kohle eingefahren hat. Darum geht es bei den Jungs von Kreftich hierbei allerdings nicht. Wenn überhaupt, dann nur in weitem Sinne, die Gedanken laufen eher fragend durch den Alltag der Gesellschaft. Gerade dieses Stück kommt über mehrere Durchläufe immer besser. Mit zunehmenden Lauf denke ich angehörs "Notruf" (Track 5) -übrigens das längste Lied auf "Niemals stumm"- immer mehr, dass Zaunpfahl sich musikalisch/klanglich locker in eine ähnliche Richtung hätten entwickeln können. Es wäre vielleicht etwas "weird" geworden, aber im Sinne der Herausforderung auch intereessant. Von ruhig bis rockig bieten Kreftich hier beispielgebend für dieses Album einen Querschnitt ihrer Facetten an. Inhaltlich geht es hier etwas kopflastiger zu, bzw. etwas "spezieller", um es mal grob zu umreißen. Erst bei "Unsere Stadt bleibt bunt" (Track 6; Anspieltip I) geht es in offensiverem Tempo nach vorn, man leistet sich songdienliche Abwechslung, um die Message an die Wände zu zimmern. "Orkan" (Track 7; Anspieltip II) bringt in direkter Folge die Direktzündung mit. Stellenweise kommen mir Die Goldenen Zitronen in den Sinn. Man möchtet anstatt "Für immer zusammen, für immer im Glück...", "für immer Punk ein Leben lang" intonieren, obwohl Kreftich hier den Fokus ganz klar in einem ganz anderem Themenkanal haben, was man u. a. den Zeilen wie "Nie wieder im Krieg, nie wieder im Wahn. Zerbrechliche Stille im Auge des Orkans." entnehmen kann. Textlich ganz groß! Kreftich haben hier die derzeitige Realität in Sachen Neuauflage des sogen. "Kalten Krieges" ganz treffend gefühlt auf den atmosphärischen Punkt gebracht. 

Thematisch passt da "Zwischenzeilen" (Track 8) bestens ran, zumal genau diese Art "Zwischenzeilen"-Bestandsaufnahmen die Grundlage dessen hergeben, die für die "Orkan"-Atmosphäre erst den Nährboden bilden. Es scheint als dröselten Kreftich den Faden diverser Alltagsdefizite auf und führten diese der Gesellschaft in Form ihres Spiegelbildes vor - "Onkelz Fritz" (Track 9). Inhaltlich top, musikalisch stellenweise etwas anstrengend. Überraschend, dass man mit "Am Rhein" (Track 10; Anspieltip III) auch mal aus dem Genre/dem Albummuster ausbricht und per Akustikballade mit diskreter Instrumentierung via Cello, Piano und Gitarre eine angenehm lockere Tiefe mitbringt. Ein klein wenig fühlt man sich an Betontod in ihren ruhigen Momenten erinnert, was zumindest geographisch ein naheliegender Vergleich ist. Echt schwierig sich sofort im Steilgang von "Nichts zu sagen" (Track 11) einzufinden. Dank des lockeren-, teils in Englisch gezockten Textes, geht hier auch ordentlich die Post ab. Dieses Stück dürfte sich nicht nur wegen des Gitarrensoli bestens im Liveset machen. 

Auf den letzten Metern von "Niemals stumm" kann man sich zurücklehnen, denn zwischen den Nicht-Rückblicken von "Drei Freunde" (Track 12), Punk Rock und der Catchiness von "Letztes Lied" (Track 13; Anspieltip IV), inkl. einiger musikalischer Einfluss-Querverweise und typischem Touralltag im Textgepäck, liegen noch einmal starke Momente.  

6,7/10 Schafe Schüsse

(Weird Sounds Records/SN Punkx/Membran 2.018)

https://kreftich.wordpress.com/

https://www.facebook.com/Kreftich/

Danny B

Schaf Schüsse: 

6
Eigene Bewertung: 6

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