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DER W "Operation Transformation" [Best Of]

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

02-2021

Label: 

Genre(s): 

Was kann man über einen, der auszog den Punk Rock zu leben, den Rock und Metal  (aber in in den '90ern auch Crossover und Hardcore) zu entdecken (aller Seiten-W-ge inklusive) noch sagen, was nicht schon längst gesagt, geschrieben oder zumindest gedacht wurde? Vielleicht das eine, dass seit einiger Zeit ein geistig schwer Verirrter dem quasi originalen "W" die (nennen wir es mal beim Namen) zwar nicht die Mark, aber die Marke streitig machen wollte (oder tut der das immer noch?), indem er im stillen Kämmerlein drüben in Amerika den gefühlt (aller-)letzten Strohhalm greift, bzw. sich daran festklammert. Die Intention des schlagergepuderten Herrn dürfte durchsichtig genug sein, als dass er im Vergleich zu einem Steinbeißer wie dem Weidner'schen W nicht auch nur einen Hauch an Glaubwürdigkeit gutmachen dürfte. Vielleicht würde es Der W so umschreiben "Lieber täglich Rush Hour Pendler, als Urlaub mit Wendler..."? So viel also dazu, somit abgehakt und zurück zum originellen ORIGINAL namens Der W. Der sitzt (lebt) und liegt zwar bekanntermaßen auch nicht mehr im Land der selbsternannten Richter & Henker rum, weiß den Pulsschlag aber seit Beginn seiner über 40 jährigen Karriere als Musiker, die er sich als totaler Autodidakt W-ge suchte, schuf und sich auch nahm wie eine gut gereifte Frucht vom Baum im Garten jenseit von Eden, egal wie steinig und groß die Hürden auch waren. Die grösste- und emotional schwerste Hürde aber war, wie er kürzlich genau genommen selbst in einem Podcast-Interview einräumte, sich einst dem Ende seiner Reise in seiner Hauptband gegenüber zu sehen. Wie er selbst einst daraus resultierend sang "Ein Ende ist Anfang und gar nicht schlimm, ich sage es als Mantra vor mich hin...", entstand einst der Grundstein, der hier auf über 2½ Stunden befindlichen Best Of Werkschau unter dem Solokünstlernamen "Der W". Damals am Anfang auf den ersten Release-Schritten noch mit der Schützenhilfe diverser musikalischer Hochkaräter wie Skew Siskin, D.A.D. und/oder auch Pro Pain, was die Scheibe damals umso mehr interessanter machte, hat sich die Bandeinheit unter dem Namen Der W gefestigt und zementiert. Ich erinnere mich noch gut wie angefixt man selbst von der damaligen Vorabsingle "Geschichtenhasser" (Track 1) war (was bis heute so blieb), denn dieses Stück geht irgendwie immer und hatte den Dampf und Drive eines damals noch nicht gänzlich ent-onklifizierten (quasi Neu-)Sängers (was mit Blick auf später auch gut so war), der dann und wann auch noch Bass spielte, aber auch an die E- und Akustikklampfe wechselte. Es brauchte noch einige Zeit und noch etwas mehr Dampf bis die "Transformation", bzw. das sich Loslösen - oder sagen wir lieber bis die Eigenständigkeit zur Notwendigkeit wurde und sich mit der Geduld fortlaufender Zeit auf natürliche Weise einstellte. Dass dieser (damals) neue W schon immer ein lebenshungriger Nimmersatt war, bestätigt in diesem Kontext nicht zuletzt auch "Mehr!" (Track 2). Immer frei, mit den Klingen auf der Zunge und den Zähnen voran - "Machsmaulauf" (Track 3; Anspieltip I), was die Punkwurzeln im modernen "Autonomie!" Gewand unterstrich und auch heutzutage noch die berechtigten Zeilen/Fragen "Jeder denkt sich seinen Teil, wir schweigen und warten, Devolution, zurück zum Primaten... Sind wir alle fremdbestimmt?" laut fragen lässt. 

Aber Der W wäre kein in sich geschlossenes, verschmolzenes, personifiziertes Yin-Yang, wenn es auch die dunklen Momente ganz verschiedener Dunkelscheinfacetten nicht auch in seinem Leben gäbe, die zu dessen W-g gehören - "Mein bester Feind" (Track 4). Letztlich zeigte sich am Ende, dass solche Art Dunkelstunden in Wut und Explosion auch vorbeigehen. Da passt "Neuland (Erinnerung ist Sperrgepäck)" (Track 5; Anspieltip II) bestens ran. Dank der Liner Notes, die Der W aus eigener Sicht in Sachen Entstehung und Herangehensweise im Booklet mitgibt, passt dieses Stück auch den Wegen durch das eigene Leben. Musikalisch zwar ohne das Schnellzugtempo, dafür aber in seiner Entfaltung großartig. Da darf es auch mal ganz individuell zugehen - "Ein Lied für meinen Sohn" (Track 6). 

Wenn man den Kontext der eben bereits angesprochenen Liner Notes mitnimmt, kann man "Stille Tage im Klischee" (Track 7) auch noch einmal anders betrachten und den Teufel Alkohol als frühen Warnschuss inmitten der Transformierung sehen. Leider wird beim Thema Alkohol heutzutage immer noch gern abgewunken, dabei sollte genau hier auch mal ein ernsthafter Stop möglich sein. Etwas Reflexion im direkten Umfeld, bzw. der Gesellschaft, könnte oft viel Irrweg und Leid verhindern. "Angst" (Track 8; Anspieltip III) ist dabei immer auch Teil des Gefühls, das man jedoch überwinden kann. Bei diesem Stück kann man übrigens auch klassische Elemente unterschwellig in der sehr frühen Phase von Der W ausmachen, die später bei den Onkelz auf wesentlich breiterer Fläche musikalisch zum Zuge kamen. Ob das jedoch in direktem Zusammenhang steht, kann nur Der W selbst beantworten. 

Ich persönlich mochte, bzw. mag zeitweise auch mal die in der Tiefsee der Seele bohrenden-/reisenden Stücke wie z. B. "Kafkas Träume" (Track 9). Stücke wie diese schaffen Raum für Kontraste, was sich gerade bei diesem Best Of Doppelalbum an der Setzusammenstellung zeigt, denn "Lektion in Wermut" (Track 10) füllt den ruhigen Raum vom Rockfaktor her wieder mit schönem Dezibelschub auf, was auch wieder Platz für Schwelgerei und nächtlichem Rundgang lässt, gedanklich resümierend unter die Decke der "Sterne" (Track 11; Anspieltip IV) zu schlüpfen. Und wie es die Natur so will, folgt auf Stille der Laut (bzw. die Laute) - "Keiner kann es besser" (Track 12), womit auch eine leicht experimentellere-, psychedelischere Leichtkante mitschwingt, die auch bei "Mordballaden" (Track 13) und "Nein, nein, nein" (Track 14) mitrocken und an den Synapsenschrauben mitdrehen. Dass da noch jede Menge Realität im Stacheldraht brachliegt, hat "Justitia" (Track 15; Anspieltip V) seinerzeit schmerzlich offen mitgegeben, das durch Leben und Wirken Nelson Mandelas immer noch/immer wieder respektabringende Demut aufkommen lässt und dessen Spuren für alle Zeit konserviert und erhält. Hier bekommen vor allem die Wissbegierigen unter den Der W Fans ordentlich Futter durch die Liner Notes - nur so viel: es lohnt sich auf mehreren Ebenen!

Der für viele einst zunächst etwas non-charmante Song "Urlaub mit Stalin" (Track 16) hat unbequeme Wahrheiten im Gepäck, kann aber auch weiterbringen. Gerade dieses Stück kann z. B. auch helfen sich in sichere Distanz zu bringen. Das gelingt beim folgenden "Zwischen Traum und Paralyse" (Track 17) übrigens nie oder zumindest seltenst, sofern man schon jemanden an den Himmel verloren hat. Gerade dieses Stück könnte aktuell eine traurige Retro-Renaissance erfahren, denn Zeilen wie "Hast du vergessen dich zu retten oder wolltest du mit Gott zu Mittag essen?" dürfte bei vielen die Dämme brechen lassen, die gerade in diesen Zeiten geliebte Menschen verloren haben. Bei diesem Stück kann man im Tränensee versinken - irgendwo zwischen Trauer, Gänsehautschauer und berührenden Geigen.

Und wenn das "Herz voll Stolz" (Track 18) am Schwersten wiegt, hilft manchmal nur noch der eigenwillig-individuelle W-g. Riff-angereichert steht am Ende des Briefes "Ich komm' heim" (Track 19; Anspieltip VI). 

Spätestens ab jetzt schaltet auch der Kopf beim Hören einen Gang zurück, da hier eine ziemlich große, geballte, emotionale, facettenreiche Ladung an Input ins Hirn schwappt. "Komm' schon" (Track 20; *übrigens hier nun als offizielles Release) packt kleine experimentelle Funken aus und rockt in Richtung Horizont, was passend zum Motto "Leinen los" (Track 21) - einer der kleinen edlen Raritäten innehat, die Der W auf dieser Best Of Werkschau kredenzt. Ganz so als habe "Gewinnen kann jeder (Schnelle Version)" (Track 22; Anspieltip VII) die Headline als Gruß an den/die Hörer/-in zum Inhalt/Ziel. Es ist umso besser, wenn es von innen (nach)hallt. ;-)

Zurück nach gestern geht es dann noch mal mit "Und wer hasst dich" (Track 23; Anspieltip VIII). Inhaltlich kein Neuland, aber musikalisch sehr, sehr eingängig umgesetzt, so dass das Stück auch heute noch andockt, obwohl es ebenfalls aus der Frühphase von Der W stammt. Dieses Stück ist aus meiner subjektiven Sicht ganz eng mit dem folgenden "Du kannst es" (Track 24) verknüpft. Und wenn man dann erst einmal auf gefühlsmäßigen Wattewolken (ggf. auch mal Watt-Wolken haha) unterwegs ist, kann man "Heiß" (Track 25), "Es scheint, als sei" (Track 26), "An die, die wartet" (Track 27), "Fünf Minuten Ruhm" (Track 28) und "Bring' mich heim" (Track 29) auch mit dem Feierabendbier genießen. 

Feierabend ist hier noch lange nicht, denn die Live-Abteilung reißt den schweißgetränkten Vorhang auf und lässt die Sehnsucht wieder Konzerte erleben zu können ein wenig neu aufbrechend hartsalzig bluten - "Urlaub mit Stalin (Live in Hamburg)" (Track 30), "Mein bester Feind (Live in Hamburg)" (Track 31), "Machsmaulauf (Live in Hamburg)" (Track 32), "Der W zwo drei (Live in Hamburg)" (Track 33), sowie das gigantische "In stürmischer See (Live in Hamburg)" (Track 34; Anspieltip IX). 

Und als ob das (vor allem für Die Hard Fans) ohnehin nicht schon ein pickepackevolles Kompaktpaket wäre, gibt es noch einen eher erdigen-, teils rohen Einblick beim Entstehungsprozeß diverser Songs obendrauf, die vom rein instrumentalen "Ode an den Raum (Extended Version) (Track 35) türer-/geöffnet werden, um mit "Seelenwachs (Demo-Instrumental)" (Track 36), "Song 23 (Demo-Instrumental)" (Track 37; *passend zum ehemaligen B.O. Label Rule 23 Recordings), "Handball Wizard (Demo-Instrumental)" (Track 38), "Mit ph (Demo-Instrumental)" (Track 39) und schließlich "Ruach V (Demo-Instrumental)" (Track 40) ins Finale geführt werden. Ob es Zufall ist, dass nach dem 40. Jahr als Musiker auch genau 40 Tracks am Start sind, bleibt den spekulationsfreudigen Hörer/-innen überlassen. Alles in allem eine saufette Best Of-Werkschau, wie sie mir in solch' einem Umfang eher sehr selten (wenn überhaupt?!) untergekommen ist, zumindest, wenn ich mal von den Onkelz Releases absehe. Bis auf subjektive-, rein musik-geschmackliche Minimalabstriche, eine rundum fette Werkschau, die perfekt für Neueinsteiger geeignet ist und/oder bei den Die Hard Fans sowieso einen Platz in der Sammlung sicher hat.

V.Ö. 26.02.21

 

9,5/10 Schafe Schüsse

(W-Entertainment/Tonpool 2.021)

https://der-w.de/

https://www.facebook.com/DERW23

Danny B

Schaf Schüsse: 

9
Eigene Bewertung: 9

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