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BLINDGÄNGER "Alles beginnt von vorn"

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

10-2020

Label: 

Genre(s): 

Bei den Leipzigern Blindgänger scheint seit "Vier" (*2.015) 'ne Menge passiert zu sein, was auch den Albumtitel ihres bereits fünften Releases unterstreicht. U. a. hat man zuletzt (*Stand 22.09.20) den Neuzugang am Bass offiziell im WWW verkündet. Natürlich liest es sich erst einmal etwas lahm, wenn es 5 Jahre bis zum nächsten Album braucht, aber wie das so mit der Zeit ist... ;) Gerade die Älteren unter Euch werden wissen wie schnell mal eben 5 Jahre weggeraucht sind. Und wenn dann am Ende 11 neue Stücke stehen, die hoffentlich auch die kleinen Hürden des letzten Albums effektiv hinter sich gelassen haben, dann soll ganz am Ende auch keiner meckern dürfen. ;-) Ob das alles auf das neue Blindgänger Album "Alles beginnt von vorn" zutrifft, könnt Ihr nun gemeinsam mit mir herausfinden. 

Per fast schon epischen "Intro" (Track 1), das mich im ganz frühen Anklang an die isländischen Epic Rock/Metal Götter Sólstafir erinnert, erweist sich rein instrumentaler Natur als kleiner Quantensprung in Sachen Sound und Entwicklung, so viel kann man direkt schon angehörs der ersten Töne feststellen. Beim Erstdurchlauf fragt man sich natürlich (nicht unberechtigt), ob Blindgänger auch ihren Crossover-Pfad verlassen haben, der zumindest bei "Vier" (*2.015) noch diverse Stile zu einem ordentlich haltfestem Tau verknüpft hat? Die Erstantwort gibt "Alles beginnt von vorn" (Track 2) selbsttönend. Der Sound- und damit auch die Attitüde kommt deutlich kraftvoller und nimmt Maß am Kreislauf geschichtlicher menschengemachter Räder. Das kann man gleichermaßen als Warnung-, wie auch als Bestandsaufnahme nehmen. Fresse halten war gestern. Natürlich sollte vor dem Fresse Aufmachen auch objektiv-konstruktiv nachgedacht werden. Gedanklich gesehen haben Blindgänger den Inhalt zwar recht einfach-, aber eben auch effektiv verpackt, zumal faktisch stimmig, was sich auch durch "Festung Europa" (Track 3; Anspieltip I) zieht. Das Bild, das hier quasi stilecht "blind" gemalt wird, lässt schon beim Zuhören merken wie übersatt und viel zu passiv wir hierzulande speckmadig schön artig dem Luxus/Konsum frönen und am Ende zulassen, dass einige völlig verblendete Idioten unter dem Deckmantel der "Meinungsfreiheit" oft schon weit, weit hinaus über die Freiheitsgrenzen hinaus gehen/gegangen sind, wenn sie per stark fragwürdiger Symbole und derbster Rhetorik neue Mauern aufbauen wollen, die 1.989 per friedlich unblutiger(!) Proteste eingerissen wurden. Paradox genug, dass unter den Verblendeten Menschen sind, die es besser wissen müssten wie es sich anfühlte wenig zu haben und für die Freiheit ihr Leben, bzw. die eigene Freiheit zu riskieren. Da kann man Blindgänger nur dankbar auf die Schultern klopfen, dass genau die im Text angesprochenen Dinge das erneut bewusst machen. Manches kann man heutzutage nicht oft genug ansprechen. Was Blindgänger von den solchen Idioten halten, die Europa zum realen Fort Knox 2.0 machen wollen, hört Ihr am Schluss von "Festung Europa". Da passt auch "Held" (Track 4) thematisch ziemlich gut ran. Von der Interpretation her bleibt hier zwar etwas Spielraum, mich persönlich erinnerte es aber rein thematisch anfangs spontan an Stephan Balliet, der im letzten Jahr zu armselig-traurigen "Medialruhm" kam, als er in Halle/Saale Menschleben auslöschte und weitere verletzte. Wenn man "Held" jedoch intensiver hört und auch einen Blick ins Booklet wirft, kann man den realistischeren Grundtenor herstellen, der dem im April verstorbenen Menschenrechtsaktivisten Rüdiger "Sir Survival" Nehberg (R.i.F.) gewidmet wurde. Rein musikalisch haben Blindgänger insgesamt (so mein bisheriger Eindruck) ihren Stil stark verfeinert und klingen deutlich kraftvoller/frischer. Dass hier vom Einfluss her auch Motörhead hintendrin lauern, nimmt der/die Durchschnittshörer/-in vermutlich nur stellenweise wahr?!

Den nächsten Tribut gibt es mit "Dampfhammer" (Track 5) in Richtung des ebenfalls leider bereits verstorbenen Bud Spencer (R.I.P.). Musikalisch etwas riffiger ausgelegt und mit Groove angereichert, sowie mit headbang-affinen Doppelbumms im Gepäck, dürfte dieser "Dampfhammer" nicht etwa laue Luft, sondern Saunasiedepunktflair mitbringen, wenn irgendwann wieder größere Konzerte möglich sind. Ähnlich groove-flowig geht "Ich kann nicht (feat. Hazy/GK)" (Track 6; Anspieltip II) ins Rund und schiebt noch etwas mehr Old School beeinflussten Crossover ins Rund, der mit einer schönen Prise Humor daherkommt. Als Gast haben Blindgänger Hazy van der Lubbe (*Grober Knüppel) dabei, was der aktuell GK hungrigen Meute zumindest etwas frisches Futter in den Rachen wirft. Mir gefällt wie stark das Stück aufgebaut ist, zumal nach hinten raus noch einmal etwas gefühlter Extraschub mit ordentlicher Powerwumms aufkommt. 

In diesem Kontext hat es "Der schwarze Fleck" (Track 7; Anspieltip III) zwar nicht leicht, behauptet sich aber dank sattem, selbstbewussten Punch und starkem Lauf, der sich stark vom Metalgenre nährt. Vergleichsweise fallen mir die nicht minder tough-starken Weckörhead ein. Hatte ich 2.015 noch so meine gefühlten Unwegsamkeiten im Innern beim Hören, entfaltet sich angehörs der neuen Stücke eine erfrischend neue Hörfreude. So viel "Hör" in nur einem Satz - Chapeau Blindgänger, haha! Ich denke, dass "Alles beginnt von vorn" definitiv deutlich öfter bei mir laufen wird als "Vier" einst. 

Beim folgenden "Meine Rüstung" (Track 8) dachte ich im Vorfeld beim Lesen der Songtiteldirekt an "Deine Rüstung" von Grober Knüppel, was letztlich möglicherweise ein naheliegender Einflussgeber in Sachen Inspiration gewesen sein könnte?! Anders als beim GK geht es bei "Meine Rüstung" jedoch um die äußerlich wahrnehmbare "Rüstung", die mal aus speckig-biergetränkter Kutte mit diversen Patches- oder auch all' den Tattoos besteht. "Du bist, was du daraus machst." - diese Aussage eint letztlich auch beide Stücke gleichermaßen. Das Schöne dabei ist, dass man solche Art "Rüstungsabau" nirgends für Geld kaufen kann kann, sondern dieser entweder von Anfang an originell selbst (mal bewusst, mal unbewusst) Form schenkt oder eben so 08/15 bleibt wie man ggf. ist. Ideell gesehen ist dieses Stück einer meiner Favoriten auf lange Sicht, wenngleich es musikalisch kein Nackenbrecher ist, sondern eher chillig in der Mitte. Ganz anders tänzelt/pogt/bangt da schon "Zum Scheitern verurteilt (feat. Kochi/Tyson)" (Track 9; Anspieltip IV) heran. Hier wird das eben noch gedanklich angerissene "Mittelmaß" thematisch ins Visier genommen und musikalisch interessant verpackt von der Kette gelassen. Gast Kochi von der (mir bislang unbekannten) Kieler Melodic Thrash Metalband Tyson passt dabei flüssig in den Lauf.  

Es geht nun langsam in Richtung finaler Kielwasser (ein ungewollter Doppeldecker in diesem Kontext) und gibt den Mutmacher "Halt Stand" (Track 10) mit, der teils etwas kantiger wirkt, trotz der starken Dynamik weitesgehend. Zum Abschluss wird mit "Schreiben" (Track 11) das aus meiner Sicht experimentellste Stück dieses Albums serviert. Country beeinflusst erinnerte mich das Stück an so manches Hetfield'sche/Metallica-nische Stück. Verdammt mutig gerade ein solches Stück ins Zentrum des bleibenden Finaleindrucks zu stellen. Dafür kann man Blindgänger nur Respekt zollen. Dennoch soll der Gesamteindruck möglichst faktisch objektiv an dieser Stelle das Gesamtbild in Sachen Bandleistung nicht schmälern, denn "Alles beginnt von vorn" untermauert tatsächlich eine neue Qualität der Leipziger Gänger-Barde, die mir außerordentlich gut gefällt, was dann letztlich auch wieder subjektiv ist, was Ihr bestenfalls selbst  gegencheckt. ;-) 

V.Ö.: 02.10.20

 

7,85/10 Schafe Schüsse

(Blindgänger 2.020)

http://www.blindrock.de/

https://www.facebook.com/Blindgaengerleipzig?fref=ts

Danny B

Schaf Schüsse: 

7
Eigene Bewertung: 7

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