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SPECIAL Interview mit dem Aktionsteam: "Was heißt frieren?"

Was heißt frieren?
Was heißt frieren?

WAS HEISST FRIEREN?

Die recht solide konzipierte Berliner Fotoshooting-Aktion "Was heißt frieren?", die das Team der Aktionisten am 9.12. 2.012 am Hackeschen Markt erstmals durchzog, hat zurecht unvorhersehbaren, großen Erfolg eingefahren. Dennoch zeigen leider nur wenige Pressevertreter Interesse daran diese Thematik auch in ihren Zeitungen/ TV-Formaten unterzubringen. Man kann nur spekulieren warum dem so ist?! Das äußerst positive Resultat ist ein Support sozial-erwärmter Menschen selbst, der seinesgleichen sucht. Täglich sieht- und realisiert man das zum Beispiel beim Netzwerk Facebook. Die "Was heißt frieren?" Facebook-Site fuhr an nur EINEM Tag satte 400 (virtuell-) erhobene Daumen ein (und es werden täglich mehr), mit denen die Menschen der bislang oft vermuteten sozialen Kälte, Entfremdung/ Anonymisierung untereinander etwas Großartiges entgegensetzen, das ein klares Statement ist!

Da wir uns im Moment in der vorweihnachtlichen Zeit befinden und die Ideale, die einst für Weihnachten standen, doch leider schon sehr dem Konsum gewichen sind, ist es an der Zeit GEMEINSAM dafür zu sorgen, daß gerade die Menschen, die am sogenannten "Rande" der Gesellschaft leben, endlich auch eine faire Chance erhalten. Anfangen kann jeder Mensch bei sich selbst, zum Beispiel indem er/ sie Berührungsängste mit Obdachlosen abbaut, sich einfach etwas Zeit nimmt und ihnen vielleicht sogar mal ein warmes Getränk oder Essen spendiert, bzw. sie in Notsituationen anspricht- und ihnen hilft, indem man den Kältebus in seiner jeweiligen Stadt anruft. Es wäre großartig, wenn das viele Menschen täglich so leben würden! Ich persönlich denke NICHT wie die meisten Presseleute, bei denen erst ein Mensch sterben muß, um eine fette Headline zu haben und per aufgesetztem Nachruf-Artikel die Sensationsgier zu befrieden, denn der Tod ist KEINE Sensation, sondern in diesem Fall trauriges Resultat einer kalten Welt. Die WAHRE Sensation ist für mich, daß es noch Menschen gibt, die ein wirkliches Interesse daran haben diesen Planeten zu einem besserem Ort zu machen, indem sie sozialer Kälte mit einem klaren "NEIN!" eine Absage erteilen! Einige dieser Menschen engagieren sich ehrenamtlich unter dem Namen "Was heißt frieren?".

*die auf den Fotos zu sehende Kältebus Nummer gilt für die Stadt  Berlin!*

Was heißt frieren, Armin Hertel

Hallo Armin, herzlich Willkommen auf schafe-schuesse.de! Erzähl´ zum Einstieg doch bitte zuerst einmal etwas darüber wie eure Aktion überhaupt entstanden ist?!

Die Aktion hatte zu Beginn noch keinen Namen und entstand, weil unser Freund- und Kollege Henning, nachdem er mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr, Schnee im Bart hatte und davon ein Handyfoto machen wollte. Daniel ließ es sich als Fotograf aber nicht nehmen gleich ein professionelles Bild zu schießen. Hinzu kam die Idee die Telefonnummer des Berliner Kältebus mit auf`s Bild zu nehmen und das bei Facebook zu verwenden, um so vielleicht den Ein- oder Anderen zu erreichen. Als ich die Bilder der Beiden gesehen hatte, wollte ich mich auch beteiligen und entschloss mich spontan dazu, den Oberkörper frei zu machen. Natürlich wussten wir in diesem Moment noch nicht, dass das später zum Vorbild für viele unserer Teilnehmer werden sollte.

Der nächste Schritt war dann wahrscheinlich Leute für euer Team zu gewinnen, soweit ich gezählt habe, seid ihr inzwischen gut 12 Leute insgesamt. Die ganze Aktion baut sich auf reinem Idealismus auf, das heißt Geld macht ihr damit nicht, aber ihr macht auf eine wie ich finde sehr wichtige Thematik aufmerksam! Wie sind die Reaktionen darauf bislang ausgefallen?

Zunächst blieben wir zu dritt und hatten kein wirkliches Team. Nachdem die Idee, daraus eine größere Kampagne zu starten, geboren war, kümmerte sich Daniel mit großer Hingabe um mögliche Interessenten in Medien und Presse. Ich übernahm die Kontaktaufnahme zu bekannten (zumindest in Berlin) „berühmten" Persönlichkeiten, um diese als Social Media-Multiplikatoren zu gewinnen. Da wir uns entschlossen hatten, daraus eine Facebook-Kampagne in Verknüpfung mit einer real life-Aktion zu starten, brauchten wir mediale Zugpferde, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Als innerhalb von zwei Tagen Artikel über unser erstes geplantes Fotoshooting in berlin-info.debz-berlin.de und tagesspiegel.de erschienen waren, merkten wir, dass wir etwas bewegen könnten. Das war auch der Zeitpunkt, zu dem wir unser Team mit einem Fotografen und Kameramann, sowie Mitarbeitern für die Postproduktion des Videos verstärkt haben.

Richtig, wir wollen mit unserer Aktion weder Geld verdienen, noch welches ausgeben. Es geht uns auch noch nicht einmal darum, Spenden zu sammeln, wie es anderen Organisationen tun. Unser Fokus ist es, die Telefonnummer des Kältebus zu verbreiten und die Menschen für das Thema Obdachlosigkeit zu sensibilisieren. Wenn sich auch nur einer von 100 Facebook-Usern die Nummer notiert/ speichert hat es sich schon gelohnt.

Die Reaktionen sind fast ausschließlich positiv ausgefallen. Wir haben viel Lob erhalten, dass es endlich mal jemanden gibt, der nicht nur virtuell „Likes" sammeln will, was wir natürlich auch brauchen, sondern die positiven Absichten auch mit einer realen Umsetzung verbindet. Kritik gab es lediglich insofern, dass mancher hinter der Aktion eine Promotionaktion oder einen Werbeauftrag vermutete, was aber nicht zutrifft. Es ist eine reine Privataktion und steht in keinem Zusammenhang mit irgendeiner Firma.

Zeitungsartikel: Was heßt frieren?

Es gibt ja gerade bei uns in Berlin mit dem "Strassenfeger" oder der "Motz" auch Zeitungen, die von Obdachlosen in S- und U-Bahn oder auch vor Supermärkten zum Direktkauf angeboten werden. Die Resonanz ist meist aber eher dürftig, einfach, weil es vielen Leuten zu penetrant/ aufdringlich ist, bzw. vielleicht auch deshalb, weil man in Berlin zu oft mit organisierten Bettlern konfrontiert wird, was der Sache selbst nicht gerade dienlich ist. Und von den Politikern her kommt definitiv viel zu wenig was die Thematik "Obdachlose" betrifft. Es erscheint einem oft so, daß die Politiker die Obdachlosen sich selbst überlassen und als Reaktion deren Ausstieg aus der "eigentlichen" Gesellschaft ernten. Was müsste sich deiner Meinung nach diesbezüglich ändern?

Das ist eine schwierige Frage, auf die wohl kaum jemand eine schnelle- und befriedigende Antwort geben kann. Ich möchte an dieser Stelle auch nicht die Sozialpolitik Berlins oder Deutschlands diskutieren. Fakt ist sicherlich, dass die Wahrnehmung vieler Passanten, die Obdachlose sehen, nicht immer zutrifft. Viele z.B. vertreten die Auffassung, dass jeder persönlich für sein schlimmes Schicksal verantwortlich ist. Dabei wird meiner Meinung nach zu wenig berücksichtigt, dass man auch schnell Opfer unglücklicher Umstände, Krankheit oder gar Betrug werden kann. Nicht jeder hat Schuld an seiner Misere. Und das ist es auch, was wir mit der Sensibilisierung meinen: Einen kleinen Denkanstoß zu geben und die Menschen vielleicht dazu zu bringen, zu differenzieren oder zu hinterfragen. Wenn wir das erreichen, hat sich unsere Aktion schon gelohnt. Und wenn jemand darüber hinaus selbst aktiv werden- und helfen möchte, ist er gern angehalten, dies zu tun.

Was heißt frieren, EbiDie Resonanz auf eure erste Fotoshooting Aktion war zwar nicht schlecht, aber für Berliner Möglichkeiten dennoch etwas dünn. Die Nachfrage nach einem zweitem Fotoshooting ist aber nach der Aktion schlagartig gestiegen. Soweit ich weiß, ist die nächste Aktion für den 15.12. geplant. Plant ihr danach weitere Shootings? Und sofern ja, WANN werden diese stattfinden?

Bei unserem ersten Shooting hatten wir knapp 50 Teilnehmer. Dafür, dass wir gerade mal 24h Zeit hatten, um im Vorfeld davon zu berichten, Interessierte und Engagierte zu gewinnen, ist das nicht wenig. Hinzu kommt, dass es am 2. Advent bei -7°, Schneefall und heftigem Wind ab 11.00 Uhr Vormittags stattfand. Da haben die Menschen normalerweise Besseres zu tun, als durch die Stadt zu fahren, um sich für ein Foto halb auszuziehen. Nachdem die Teilnehmer ihre Profilbilder mit der Nummer des Kältebus online stellten, stieg die Nachfrage nach einem zweiten Shooting und mehr Leute wollte an unserer Aktion teilnehmen. Am 15.12. haben wir ein zweites Shooting veranstaltet, zu dem neben den Teilnehmern auch Pressevertreter für Interviews vor Ort waren. Wir sind gespannt, wie sich die zweite Welle von Profilbildern auf Facebook auswirkt und wie viele Menschen wir erreichen können. Zum Jahresende 2012 ist, je nach Wetterverhältnissen, ein drittes Fotoshooting geplant, genaue Angaben gibt es aber hierzu noch nicht.

Was waren denn bislang die Reaktionen innerhalb eures Teams nach dem ersten Shooting selbst?

Wir waren zunächst stolz auf unsere Leistung was die Öffentlichkeitsarbeit angeht, das heißt wie viel Presse wir auf uns aufmerksam machen konnten und wie viele medienwirksame Unterstützer wir auf Facebook gewinnen konnten. Es war erstaunlich für uns zu erleben, was in kürzester Zeit und ohne jegliche Mittel mit etwas Arbeit und Hingabe realisiert werden kann. Außerdem waren wir erstaunt über die Vielzahl von Unterstützern, sei es virtuell oder dann auch vor Ort beim Shooting. Wir waren gerührt von dem Zuspruch und der positiven Resonanz.

Mit dem unten stehendem Videoclip habt ihr einen beeindruckenden Kurzfilm gemacht, der auch sehr schön die Kontraste im Leben Berlin`s einfängt. Gerade die Gegend um den Hackeschen Markt gilt ja einerseits als Shopping-Meile für besser Betuchte, dem zum Beispiel der Studentenstrich entgegensteht. Was war der Beweggrund die Aktion gerade dort zu machen?

Es gab zu Beginn keinen speziellen Grund den Hackeschen Markt und Umgebung zu wählen. Der Vorteil ist, dass es zentral gelegen und mit verschiedenen Verkehrsmitteln für jeden gut erreichbar ist. Es ist aber richtig, dass dort eher wohlhabenderes Publikum und Touristen zum Shoppen unterwegs sind. Insofern stellte es sich als interessant und praktisch heraus, das Video auch dort zu drehen. Es ging dabei darum, die Reaktionen von Passanten auf einen frierenden Menschen am Straßenrand zu dokumentieren und das ist uns am Hackeschen Markt sehr gut gelungen.

Was heißt frieren, ChrisWird sich euer Team auch anderen sozialen Projekten öffnen/ anschließen, zum Beispiel im Sommer? Oder konzentriert ihr euch erst einmal intensiv auf den Kältebus-Support?

Über den Winter hinaus haben wir noch keine konkreten Pläne. Wir schließen aber nicht aus, andere Aktionen dieser Art zu starten. Und es wird ja wieder ein Winter kommen. Wir werden also sehen in welcher Art wir das Projekt im Frühjahr abschließen und dann nächsten Winter wieder aufgreifen?!

Was sagst du dazu, daß auch Andere Aktionen für den Kältebus starten? Wertest du dies´ als weiteren Erfolg eurer Aktion?

Mit anderen Aktionen oder Organisationen arbeiten wir nicht zusammen und wir wissen auch nicht, ob wir tatsächlich Vorbild sind. Wenn das so ist, dann freuen wir uns, zumindest einen Diskurs gestartet zu haben, der zu weiteren engagierten Projekten führen kann.

Nun zum Abschluss kannst du gern mal eine Story erzählen, die bei euren Shootings passierte, die dich/ euch besonders beeindruckt- oder dich/ euch zum Lachen brachte?

Als wir uns zum zweiten Shooting an unserem Treffpunkt versammelten und auf Teilnehmer warteten, trafen wir auf zwei Obdachlose. Sie hatten Interesse an uns und wir erklärten, was es mit unserer Aktion auf sich hat. Sie entschlossen sich spontan teilzunehmen und mit einem Foto zu der Kampagne beizutragen, auch wenn sie kein Facebook oder Internet zur Verfügung haben. Wir müssen uns natürlich bewusst sein, dass diesen Obdachlosen mit einem Foto in diesem Moment nicht geholfen ist und sie auch nicht unsere Zielgruppe sind. Aber ich denke, es ist ein gutes Zeichen, wenn Hilfe, in welcher Form auch immer, von den Betroffenen angenommen wird. Während unserer Dreharbeiten und der Shootings haben wir mehreren Obdachlosen auch ein wenig Geld und Kaffee gespendet.

Was heißt frieren, myselfVielen Dank, daß du dir so spontan die Zeit für dieses Interview genommen hast! Die letzten Worte gehören dir!

Ich bedanke mich bei allen Unterstützern und Teilnehmern unserer Aktion! Es ist uns eine aufrichtige Freude zu erleben, dass sich Menschen nicht nur zu einem anonymen Klick im Internet hinreißen lassen, sondern auch bereit sind aktiv zu werden und mit ihrem Gesicht für eine gute Sache einzustehen. Das spricht für unser Konzept, das es geschafft hat, eine Facebook-Kampagne mit einer realen Aktion zu verbinden. Wir hoffen auf weiteren Zuspruch und sind gespannt was die Zukunft bringt.

Danny B

 

Was heißt frieren (Facebook)

 

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