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DIE DORKS "Die Maschine von morgen" [Doppelalbum]

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

04-2021

Label: 

Genre(s): 

Die Dorks aus Niederbayern haben sich in den letzten Jahrem-, im Zuge ihrer Veröffentlichungen von der Rotze-Punk-Band, die immer ordentlich Party, Suff, Sleepmasterei (Insider) und Spaß im Reisegepäck hatte, wenn sie mal wieder im Weekendmodus über die Autobahnen und Landstrassen zum nächsten Gig bretterten, zu einer ernstzunehmen Adresse für musikalische Detailliebe mit jeder Menge Leidenschaft im Futter entwickelt. An der punkigen Atitüde/Einstellung hat sich mit Blick auf die verbliebenen Dorks Gründungsmitglieder Lizal (voc.; git.) und Bons (dr.) optisch nur wenig verändert, abgesehen vielleicht von der Haarspitzenlänge. ;-) Genauso wenig inhaltlich. Auf dem hier vorliegenden, neuen Album präsentieren sich Die Dorks mit deutlich geschrumpftem LineUp als Quarttet und zwei neu besetzten Positionen am  Bass - Mark von Elend und Gitarre - Pät Durango. Beide optisch keine Teenager mehr und vermutlich auch mit Vorerfahrungen in anderen Bands vorher. 

Mit "Die Maschine von morgen" erscheint nun das 7. Zeichen... äh Werk der bavarischen grundgetriebenen-, gruezisch-servusierenden-, tyrannoplauzusierten-, in der BRD Urlaub machenden Plattentellerärsche. Die Stilrichtung (so viel vorweg) wird weiterhin fine-getuned und setzt quasi den Lauf da fort, wo der Arsch Fettflecken auf der letzten Platte hinterließ. Schon allein das Coverartwork, das (wenn ich mich richtig entsinne) aus der Feder von COR Gitarrist Robert Lefold stammt, setzt ganz neue Maßstäbe im Dorks (Back)Katalog. Musikalisch sagen Die Dorks selbst, dass ihre Mucke irgendwo zwischen Bach, Slayer und Wizo ein Zuhause findet. Nonkonform, punkig, kritisch, aber auch ironisch geht der Mäher querfeldein durch diverse Subgenres und setzt mit dem rein instrumentalen Intro "010110" (Track 1) an, um "Die Maschine von morgen" (Track 2) von der Kette zu lassen. Und schon auf den ersten Metern kommen (noch bevor Lizals Gesang einsetzt) Klassik-Progressive vermischte Momente auf, die von den Lyrics her 'ne Menge thematisches Breitbandfutter auffahren, denen man den kritischen Bezug zum gegenwärtigen Allltag, bzw. all' den Veränderungen- und Strömungen in der Gesellschaft anhört. Schon allein die Textzeile "Wie von einem Chip gesteuert, manipuliert... von innen zerissen, menschlich degeneriert.." bringt schon 'ne Menge auf den Punkt und an dieser Stelle ist man noch vor dem ersten Refrainteil. Man kann alle Texte im Booklet mitlesen, die auch sehr schick inszene gesetzt wurden. Im Grunde erklärt sich "Die Maschine von morgen" selbst. Was über weite Strecken eher vom Metal durchzogen ist, hat auch schon mal leicht exotische Parts mit im Gepäck, die jedoch eher dezent angedeutet werden und nach hinten raus sattes Thrash Metal Sperrfeuer rausböllern. Vermutlich hat Frontfrau Lizal bereits in ihren frühmusischen Jahren auch fachlich geschulten Gesangsunterricht gehabt, der hier effektiv stark zu tragen kommt. Stimmwerklich über alle Zweifel erhaben und sattelfest vor dem/den Herren auf weiter, weiter Flur. 

Erste Iron Maiden Anklänge stehen bei "Der Aufmarsch der lebenden Toten" (Track 3) voran und fließen in ein ska-beeinflusstes, leichtfüßiges Stück, das eine in der Alltagsroutine gefangene Gesellschaft umreißt, die vor allem vor der Pandemie tag-tagaus abgepackt per medialer Berichterstattung zu hauf  frei Haus serviert und gepflegt wurde. Aus dieser Art Lethargie heraus hat die Coronapandemie in ein immer weniger durchschaubares Chaos geführt, das sich zuzuspitzen droht. Der Entwicklung vergleichsweise ähnlich, folgt dem leichtfüßigen Ska clever angezocktes Riffing (mit expressiven Zügen), das mit diversen Breaks verstrickt den Ska erstaunlich gut im Kontext funktionieren lässt. Es sind vor allem die verspielten Detail-Frickeleien der Gitarrenläufe, die mit der Tonleiter spielen als wäre es die Leiter zum Mond. Diese Leiter führt auch zum ersten Ohrwurm über kurz oder lang. Wer die letzten Dorks Alben kennt, weiß, dass Die Dorks meist nicht den direkten Weg nehmen, sondern Ohrwürmer gern auch mal hintenrum- oder von der Seite kommen lassen und genau das passiert dank der gesanglichen Phrasierung eines Einzelwortes bei "Freaks ohne Namen" (Track 4; Anspieltip I) auch. Welches Wort das ist, findet Ihr bitte selbst raus. Nur so viel, beim Erstdurchlauf dieses Stückes mag es einem noch irgendwie schräg vorkommen, es erweist sich aber mit jedem weiteren Durchlauf als sinnmachend und effektiv. Da muss man auch erst einmal drauf kommen, ein wort so zu phrasieren, wobei ich das ähnlich irgendwann und irgendwo schon mal in anderem Lied gehört habe?! Was dank des satt-kompakten Sounds auffällt, ist, dass Drummer Bons ziemlich hart auf den Punkt spielt und damit die quasi "Neuen" in der Band eine dementsprechend tiefe Prägung/Eindruck bei ihrem Einstieg hinterlassen. Vom Text her ist "Freaks ohne Namen" relativ schnell in meine subjektive Favoritenabteilung gewandert. :)

Die Iron Maiden, bzw. Heavy Metal (mit speziellem Zug zum NWoBHM?) Einflüsse tauchen immer mal wieder clever verspielt eingeflochten auf, wie z. B. zu Beginn von "Exzess der Nichtigkeit" (Track 5), was per Uptempopart (mit leichter Thrash Metal Nähe) in ein zeitgemäß kritisches Stück führt, das die mediale Berichterstattung und Redaktionsentscheidungen hinterfragt. Beim Hören und Textlesen denkt man u. a. unweigerlich an diesen amerikanischen Typen mit der blondgebleichten Stirn-Brettwelle zurück, der die Medien fast nach Belieben vereinnahmte. Vermutlich entstand der Text aber einfach nach einem harten Arbeitstag und der Hoffnung via TV etwas abschalten zu können. Zwar wurde vermutlich in der Konsequenz auch abgeschaltet, allerdings sicher anders als erhofft, nämlich das TV Gerät?! Auch diese Stück empfiehlt sich für's Liveset, zumal abwechslungsreich (inkl. Gitarrensoli) und ziemlich abgefahrenen Bausteinen, die fast schon am Progressive Rock kratzen, was etwas kritrisch betrachtet ggf. auch ins kopflastige Spiel abdriften kann, jedoch nicht(s) muss. Umso besser, dass die Intonierung des folgenden "Ob ich morgen noch so bin?" (Track 6) mit locker-luftigerer Zerstreung ansetzt, die vom reinen Klang her auch mal Machine Head zuwinkt und ein ziemlich eigenständiges Stück übergeht, das zwischen Schlagzeugfokus, Gesang/Text im Vordergrund und Gitarrenunterstützung hin- und herpendelt. Der Inhalt ist hier ziemlich schwere Gedankenkettenkost, die gerade hierzulande von immer noch zu vielen Menschen gern abgewunken/verschmäht wird, weil es zu unbequem ist sich selbst mal im Kontext geschichtlicher Schatten zu hinterfragen. Genau das tut Lizal Dork, bzw. der/die Proganist/-in gedanklich offen. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Text viele Menschen zum (Nach)Denken anregen kann/wird und hoffentlich dementsprechend weitreichende-, positive Auswirkung(en) nach sich zieht, die bestenfalls auch Menschen aus anderen Subkulturen als der Punk Subkultur erreichen wird. Rein musikalisch dürften spätestens mit diesem Album auch einige Metalfans mal ein Ohr riskieren, was dann auch die sogen. Reichweite vergrößern dürfte. Tempomäßig haben Die Dorks das Gesamtgeschehen hier größtenteils dem Text untergeordnet/angepasst. 

Selbst semi-balladeske Nuancen fahren Die Dorks selbstbewusst auf - "Die Last auf ihren Schultern" (Track 7). Man könnte gut sagen, dass Die Dorks "Die Maschine von morgen" eine Reise quer die gegenwärtige Gesellschaft, bzw. die der letzten Jahre beinhaltet, aus ganz verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Das kann auch mal mit einem schärferem Zoomblick durch die Lupe auf die/den Menschen einhergehen, die unter Depressionen, Borderline etc. leiden, so wie es dieses Stück umreißt. Dabei tritt insgesamt der Doppeleffekt ein, dass die vollumfänglichen Auswirkungen auf der thematischen Bildfläche zur Sprache kommen, dass nicht nur Betroffene schwer leiden, sondern auch die Menschen im direkten Umfeld, die sich entweder hilf-/machtlos fühlen, weil sie keine schnelle Lösung finden oder aber (wie so oft) nichts vom Leid ihres/ihrer Nächsten wissen, weil man niemanden hinter die Stirn schauen kann. Musikalisch haben Die Dorks hier eine echte Herausforderung geschaffen, weil man mit zu viel auch eine Kippwirkung erzielen kann, ganz so wie im echten Leben solcher Schicksale. Zwischen genauem, ehrlichen (Hin-)Blick(en) und schulterklopfender Umarmung haben Die Dorks diese echt schwierige Herausforderung (auch musikalisch) ziemlich stark umgesetzt. Nachdem es auch hier nach hinten raus temporeicher zugeht/-ging, startet "Die Zeit" (Track 8) erstmals mit Hardcore Einflüssen im Unterholz durch, die man eher bei genauem Hinhören (stellenweise) wahrnimmt. Der Stilcocktail, der sich hierbei aus dem Gemisch Metal, Prog und Core-Nuancen ergibt, kann insgesamt ein wenig zur Herausforderung werden. Die Schlenkerkurven gefühlter Up- and Downpassagen bremsen den Flow leider stark aus, was die handwerklichen Qualitäten an den Instrumenten dennoch absolut nicht infrage stellt. Man muss dazu sagen, dass bis auf das Intro am Anfang und einem weiteren Stück auf diesem Doppelalbumschlag kein Stück unter der 4 Minutenmarke liegt, ganz im Gegenteil. 

Mit "Am Tag der Wochenendrebellen" (Track 9; Anspieltip II) nehmen Die Dorks die Stammtischrunden und ihre Freizeit-Hobbyrebellen in den thematischen Fokus und das gar nicht mal zu politisch eingefärbt, sondern eher im fundamentalen Kerngeist von Dimple Minds's "Deutsche Gemütlichkeit". Dass Die Dorks ein solches Thema naturgemäß eigenmusikalisch umsetzen, dürfte klar sein. Der musikalische Rahmenbau/das Gerüst fährt ein deutlich lockereres- und damit auch hörbar eingängigeres Stück in den Raum, das abwechslungsreich genug ist, um wiederum kleine Machine Head Funken im letzten Viertel auf die Vergleichsursuppe von Metallica treffen zu lassen. 

Der Titel "Der Mensch ist ein Schwein" (Track 10; Anspieltip III) meint inhaltlich thematisch Raubbau und Massentierhaltung. Zumindest interpretiere ich das so. Manche würden sagen "Da kann doch das Schwein nichts für?!" (auch dieser Satz ist frei interpretierbar, aber eigentlich auf das Tier bezogen) und haben auch sehr recht damit. Doch wie das mit geflügelten Wortschöpfungen so ist, sind diese da, um Stimmungs-/Meinungsbildern mehr Raum, Präsenz und Tiefe zu geben. Dass auch Die Dorks mit Bezug auf (u. a.) Tiere ins Feld ziehen, untermauert schon der saustarke-, erneut ins Schwarz genagelte Refrainblock "Und er suhlt sich im Elend aller Kontinente, liegt faul in der Sonne und frisst in sich rein, hinterlässt seine Spuren von Dreck und Verwüstung, nicht der rosa Vierbeiner, der Mensch ist das Schwein! Er ist ein Schwein!". Nicht nur der zeitgemäßen Thematik wegen, empfiehlt sich das Stück für zukünftige Konzerte in Sachen Setlist. Teilweise kommen zwischendurch auch hier wieder Thrash Metal Anteile zum Zuge, die vom Tempo her auch mal einen Gang höher schalten. Ob dieses Stück bewusst vor "Jobcenter" (Track 11; Anspieltip IV) feat. Gerre gesetzt wurde, bleibt der Spekulation überlassen. Dass man Gerre, seines Zeichens Sänger der Frankfurter Thrash Metal Ikonen Tankard (*in Punkkreisen sicher am Ehesten durch ihren Kulthit "Freibier" bekannt?!) als Gast gewinnen konnte, macht diese Doppelalbum umso vielschichtiger und für manchen Die Hard Tankard Fan/-in direkt zum Must Have. Auch Gerre wird die hier besungenen Erfahrungen (zumindest teilweise; oder gar komplett?)aus seinen Anfangstagen mit Tankard noch kennen. Wenn man davon mal absieht, geben Die Dorks hier rein textlich auch eine Art vertonte Reiseeinblicke ihrer Tourtagebücher mit, die musikalisch gehsehen/gehört ein klasse Stück mit Evergreenpotenzial als Resultat servieren, was quasi mit dualem Gesang besticht. Übrigens kann man dieses Stück auch als doppelt zeitgemäß annehmen, da für viele (Berufs-)Musiker aktuell nur der Gang zum Jobcenter bleiben wird. Dieses Stück ist übrigens (abgesehen vom Intro) das kürzeste auf "Die Maschine von morgen".

So langsam geht es nun in Richtung Finale. Und "langsam" ist in diesem Kontext zunächst wörtlich zu verstehen, denn "Aus demselben Sternenstaub" (Track 12; Anspieltip V) beginnt balladesk und geht per exotisch angehauchter Gitarrenbrücke (die mich subjektiverweise ganz kurz erneut an Metallica, Machine Head-, aber auch Black Label Society erinnert) in ein flüssiges Uptempostück über, das trotz der Länge von 7:19 Minuten nicht langweilig wird. Spontan dachte ich bei mir, dass hier möglicherweise inhaltlich ein Bezug zu Greta Thunberg bestehen könnte, diese Art Geschichte jedoch auch eine rein fiktive Protagonistin als Alternative anbietet. Die hier verwendete Geschichtenform ist in einfacher Form gehalten. Die immer wieder balladesken Ansätze/Parts, die eingestreut wurden, bringen insgesamt schönen Abwechslungsreichtum mit, bevor der Albumschließer "Der imaginäre Widerstand" (Track 13; Anspieltip VI; früher war es "der hosenlose Widerstand" haha) das Finale markiert. Bei einigen Stücken auf "Die Maschine von morgen"-, wie auch diesem, kann man den Inhalt auf sich selbst oder auch auf Andere beziehen. Die über's Album verteilten Fußnoten als Ratschlagansatz könnten den/die eine/- oder anderen vielleicht etwas befremden, was sich aber mit etwas Entspannung im Innern relativiert. Die Aufforderung "Befreie dich!" bezieht sich hier nicht etwa mehr plakativ vordergründig auf die Ketten der aktuell bereits schwer in der Spaltung befindlichen Gesellschaft, sondern eher fokussiert auf die inneren Ketten. So betrachtet sind Die Dorks längst dem Partty-Suff-Band Image entwachsen und setzen ein verdammt fettes Ausrufezeichen hinter ihre musikalischen-, aber auch thematischen Qualitätsfacettenbreiten, die sich von den Stilschubladenketten losgerissen haben. 

Insgesamt betrachtet ein verdammt breitflächiges, spektrumweites Album, das man nicht mal eben schnell durchhört und komplett umfassend kapiert, sondern eines, das Zeit braucht, um sich zu entfalten. Ganz so wie der diesjährige warme (wärmere) Frühling, der sich aktuell ebenfalls Zeit lässt. 

Ich kann nur hoffen, dass Die Dorks beim nächsten Album nicht wieder einen solch' umfangreichen Doppelschlag servieren, denn schon dieser hat vor die nicht einfache Herausforderung gestellt, möglichst treffgenaue-, passende Worte zu finden. Musikalisch würde ich mir (subjektiverweise) auch mal wieder ein paar mehr Rumpelpunkstücke wünschen, die den stark Metal-lischen Bezug etwas mehr aufmischen/lockern oder aufweichen. "Die Maschine von morgen" wirkt teilweise von den vielen Stilelementen/-einschüben her manchmal etwas schlagseitig kopflastig und balanciert stark zwischen "Less is more" und "nah am Zuviel". Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, je so lange für einen Finalgang in Sachen Reviewschreiben gebraucht zu haben, was auch an der Vorliebe für Details im Hause Die Dorks gelegen hat. Von "bis in die Nacht hinein" bis "in den späten Mittag hinein" war da einiges an Stunden vor- & nach dem hart verdientem Schlaf mit im Gepäck bei der Reise durch mit "Der Maschine von morgen".

V.Ö. 30.04. 21

 

8,75/10 Schafe Schüsse

(CoreTex Records/375 Media 2.021)

https://diedorks.de/

https://www.facebook.com/DieDorksPunk

https://diedorks.bandcamp.com/

Danny B

Schaf Schüsse: 

8
Eigene Bewertung: 8

Review No.: 

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