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GRUNDHASS "Wenig los"

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

03-2021

Label: 

Genre(s): 

Schon das malerische Stillleben auf dem Coverartwork (sowie der offiziellen Website) von Grundhass spricht gegen ruppig-rüden Oi-/Street-Punk, bzw. würde vermutlich zu viel an kakuliertem Klischeebruch hergeben (den der Bandname eventuell bei einigen suggeriert), als dass es in den Kontext der seit 2.013 bereits bestehenden Band passen würde. Neben Schlagzeuger Johannes Juschzak steht Ole Fries am Mikro und der Rest ist quasi Gesamtleistung der Band, bei der es sich um ein Duo zu handeln scheint. 

Allein schon der irgendwie (im Kontext der Stücke) witzige Bandname packt die Neugier mindestens in sofern, dass man mal abcheckt und reinhört - und genau damit kriegen Grundhass den/die ein- oder anderen Hörer/-in, denn schon der Opener "Diggi gib Kohle" (Track 1; Anspieltip I) holt den Wurm und verfrachtet ihn direkt in den/die Ohren. Das Stück gibt musikalisch gesehen eine Mischung aus Pop Punk und Punk Rock her und hat das Zeug angenehm erfrischenden Wind in die sonst eher zu oft aufgewärmten Radio-Airplay-Lists zu bringen. Man muss kein Genie sein, um Einflüsse von Die Ärzte, aber auch ein klein wenig Green Day ausmachen zu können. By the way, wenn man Grundhass hört, kann man locker davon sprechen, dass sie auch dank ihrer Skills und Inhalte Bands wie Die Ärzte und z. T. auch Die Toten Hosen etwas blasser aussehen lassen, einfach, weil diese Jungs ganz sicher keine Millionäre sind und zeitgemäße Stories aus dem Alltag glaubhaft am Start haben. Man könnte auch gut sagen, dass Grundhass gut in die stilistische Runde von Bands wie Betontod und/oder Pascow passen, denen man Songs wie "Dorfpunks" (Track 2) sicher auch abnehmen würde. Abgesehen vom gleichnamigen Film aus dem Jahr 2.009, kommen hier runde Melodien und "Ohohoho" Passagen zum Zuge, die mir eine Zeit lang (besonders als jede zweite Band diese genutzt hat) eher Erbrechen als Hörvergnügen waren, was sich auch noch nicht gänzlich gelegt hat, in dezent dosierter Menge aber durchaus als effektiv bis songdienlich anerkannt werden kann, so wie das hier bei Grundhass der Fall ist. Dass Grundhass auch mal etwas Frank Turner, Chuck Regan, Social D., Johnny Cash, Die Toten Hosen und/oder Broilers hören, schimmert bei "Zusammen kaputt" (Track 3; Anspieltip II) auf popige Weise durch, was nicht ganz nebenher eine ganz eigene Romantik rumbringt und vermutlich eher auf dörflichen Feldern, denn in Großstadtgassen seinen Ursprung hat? Ganz anders als "Königin vom Kotti" (Track 4) bei dem man im Zentrum von Berlin-Kreuzberg Halt macht. Was hier wie Abendromantik klingt, mag sich teils auch wie eine verklärte Verdrehung eines Hot-Spots in Sachen Hehlerei-Umfeld, Zentrum von Sucht und Schein anfühlen. Jede/-r der/die je am Kottbuser Tor langkam, weiß, dass es dort eher nach Pisse, Feinstaub (resp. Autoabgasen), verschüttetem Alk, U-Bahnschacht, Schweiß etc. riecht, anstatt nach Romanze, die mit blumigen Düften aus der Parfümerie und Pheromonen flirtend lockt. Musik schafft manchmal Illusionen, womit sich der Kreis der Ansatzidee auch schließt. Musikalisch gefällt mir der Aufbau des Stückes echt gut, weil es auch beim x-sten Durchlauf noch etwas hat und eine Alternative zu den diversen stadtinternen Liebesbekundungen zu Berlin selbst anbietet. Musik-stilistisch schieben Grundhass hiermit durchaus eine schöne, bereichernde Facette in die Runde von Kotzreiz, Jennifer Rostock, SXTN, Sido und Grosstadtgeflüster ein. 

Und wo man feiert, verraten Grundhass mit dem Punk Rock-igen "Radiohead im AJZ" (Track 5). Wobei in den Zwischentönen auch von satten Merch-Preisen die kritische Rede ist und musikalisch schon auch mal (wiederum eher Ärzte typisch) ein musikalisch andersgelagerter Einschub mitgeliefert wird. Was ich so-, bzw. so ähnlich schon von Adressen wie Die Arbeitslosen Bauarbeiter kenne/gehört habe, erfährt bei Grundhass eine Frischzellenkur, die für sich spricht und tönt. Mir persönlich gefällt vor allem die teils pfeffrig-kritische Würze der Texte, die auch zu Beginn von "Schützenfest der Ahnungslosen" (Track 6; Anspieltip III) auf starke Weise mit Zeilen wie "Jedes Lächeln eine Lüge, jedes Nicken intrigant, die schlimmsten Geschichten hinter einer Häuserwand..." zum Zuge kommt und die Heuchelei, die Abstumpfung in den Köpfen dank landesweit gern gepflegter "Dorf-Traditionen" und typischer Klischeepflege hinterfragt, die hauptsächlich dem Schein der weit verbreiteten, verordneten "Maul halten-Ruhe" dient. Dieses Stück widerstrebt dümmlich polemisch anerzogenen Werten und deren oberflächendienlicher Scheinwahrung. Für mich eines der weit herausragenden Stücke auf diesem Album, dessen Titel "Wenig los" (in diesem Kontext gesehen) eine schön scharfe Kante Ironie/Sarkasmus hergibt. Chapeau!

Da passt "Für Dich" (Track 7) inhaltlich zwar nicht direkt locker ran, wird aber dank des chatchigen Laufs zum butterweichen Fluss. Auch wieder so eine radiotaugliche Nummer, die zu all' den popigen Nummern passt, die sonst im Radioalltag abgebraten werden. Ich wage zu behaupten, dass hier sogar einige NDW Elemente unterschwellig eingestrickt wurden, die ebenfalls dem Ohrwurmfutter dienen. Grundhass haben diese allerdings clever in den Lauf eingefädelt, so dass man die paar Sekunden locker verschmerzt, die erneut von der Nähe zu Die Ärzte (zumindest zu Beginn) per "Neugeboren" (Track 8) abgelöst werden. Die geschichtenartige Alltagsstory, die auf einige Großstädter/Zugezogene zutreffen dürfte, ist es, die abholt, mit- und in den Arm nimmt, trotz Abstandsregeln und der hungrigen Erwartungen bzgl. des Pandemie-Endes. Und spätestens nach Pandemie-Ende dürfte für Grundhass einiges gehen, zumal diese Art von Pop Punk Rock funktioniert. Da darf es (verglichen mit dem Rest des bisher Gehörten) auch mal leicht experimentell zugehen - "Jauchegrube" (Track 9). Etwas Effekt auf den Gesang und den leichtfüßigen spacey Pop Rock (zu Beginn tatsächlich auch etwas Rockabilly Gitarrenlauf inkl.) zur Entfaltung gebracht. Warum mich auch dieses Stück an eine Frischzellenversion der Ärzte denken lässt, könnt Ihr gern selbst rausfinden. ;-) Leider schleift sich der Grundhassstil langsam etwas ein und gibt das Gefühl mit, bereits den Kern-/Grundstil erfasst zu haben - "Andersrum" (Track 10). Schade eigentlich, wenngleich das auch erst kurz vor dem Albumfinale der Fall ist. Nichts desto trotz dürften sich einige inhaltlich wiedererkennen, bevor es per "Flixbus" (Track 11) ins Finale geht. Wären Die Ärzte heute noch mal jung, vielleicht würden sie genau solche Art Stories in genau solchen Songs bringen? Insgesamt gehört haben Grundhass stark was auf Pfanne und vermutlich noch viel mehr in petto. Ich für meinen Teil bin gespannt, ob diese Jungs dieses Level halten können, bzw. noch eine Schippe drauf-/zulegen können? Immerhin konnten sie vor der Pandemie bereits dem Publikum von The Baboon Show, Abstürzende Brieftauben, Frank Turner etc. erste Eindrücke mitgeben. 

V.Ö. 19.03. 21

 

8,5/10 Schafe Schüsse

(Dackelton Records/Broken Silence 2.021)

https://grundhass.com/?fbclid=IwAR10FubwTYf4VSIOjL6rjDTXfOXNfYsQIl8Tqwma...

https://www.facebook.com/Grundhass/

Danny B

Schaf Schüsse: 

8
Eigene Bewertung: 8

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