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BÖHSE ONKELZ "Live in Dortmund II" [2CD Livealbum]

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

05-2017

Label: 

Genre(s): 

Was 1.997 mit dem Doppelalbum "Live in Dortmund" unter dem "Auge des Gonz(o)" seinen (für damalige Zeiten) beeindruckenden Anfang in Sachen Livedokumentationen unter den rockenden Bands hierzulande nahm, geht nun -20 Jahre später- ebenfalls in Doppelalbumform mit dem kompletten "Gonz(o)" auf dem Coverartwork in eine neue Kapitelrunde. 

Die Böhsen Onkelz mochten seit jeher Livedokumente, weil sie geradeaus, authentisch und ohne Umwege den Qualitätsstand der kontrovers diskutiertesten Band (über viele Jahre) hierzulande auf den Punkt brachte. Auch zahlreiche Live-Bootlegs belegen dies. Qualität in Sachen Produktion, Sound und technisch-zeitgemäß-neuester Stand war dabei zumindest bei den offiziellen Live Releases immer ein Teil des Ganzen, was man an den verschieden Livedokumenten merkt(e). Letztlich schließt sich mit "Live in Dortmund II" ein Kreis in Sachen Entwicklung aller vier Onkelz. "Was lange währt, wird endlich gut, nie war'n wir besser..." heißt es im Song "Hier sind die Onkelz" (*1.995) - genau das kann man den Onkelz vorweg anno 2.017 genau so zuschreiben. 

"Live in Dortmund II" wurde auf der letztjährigen Tournee zum Chartstürmer-Top-Album "Memento" (*2.016) am 25.11.16 in der Dortmunder Westfalenhalle mitgeschnitten. Eine DVD, die im Rahmen der Tour in der Berliner Mercedes Benz Arena mitgeschnitten wurde, soll ebenfalls in diesem Jahr folgen. Doch zurück zu diesem Live-Doppelschlag der Frankfurter, das dem Hörer ein 6-seitiges Digipack (mit Posterbooklet) als Booklet bietet, also gar nicht so weit von der konzeptionellen Basis des ersten "Live in Dortmund" Albums entfernt.

Ähnlich spannungserzeugend wie beim ersten Teil, startet auch bei Teil II das "Intro" (Track 1) - dieses Mal aus dem Geräusch surrender Tattoomaschinen gespeist und schickt mit den eigentlichen Opener "Gott hat ein Problem" (Track 2) mit  "Memento" auf der Zunge raus, um sich noch tiefer einzuinken. Der Sound ist dabei deutlich zeitgemäßer und wohnzimmerfreundlicher, zumal bestens ausbalanciert. Es fällt von erster Sekunde an deutlich auf wie viel freier/flüssiger Kevin Russell (voc.) im musikalischen Gesamtbild agiert, wobei auch Schlagzeug, Gitarre und Bass die Karre fett schmieren - beste Voraussetzungen für die Fahrt durch das fast zweistündige Liveset, das mit "10 Jahre" (Track 3; Anspieltip I) zum schön dreckig-pumpenden Pulsbeschleuniger wird und selbst für Metalheads Raum schafft. Singalong inklusive. Die Stimmen derer, die Kevin Russell zuletzt bescheinigten er hätte den punkigen Rotz seiner Stimme verloren, werden angehörs dieses Smashers kläglich im Neid untergehend verstummen. 

Über die Setzusammenstellung kann man freilich streiten, Wunsch und Must Play werden die Onkelz selbst immer wieder intern heiß diskutieren lassen. Ein Song wie "Finde die Wahrheit" (Track 4) wird mit Sicherheit auf der "Must Play" Liste stehen. Dafür kommen aber auch neue Stücke wie "Irgendwas für nichts" (Track 5) zum Zuge und stellen die Arrangements noch einmal beim direkten Zockgang intensiver heraus. Vor allem Drummer Pe dürfte sich hierbei ordentlich abgekocht haben, will heißen "Rotationsarme"/Marathonanspruch... ;-) Positiv zu vermerken ist, dass "Nie wieder" (Track 6; Anspieltip II) auch anno 2.017 noch lange nicht zum Gähner wird, im Gegenteil, gerade im rückblickenden Kontext der letzten 15 Jahre bekommt dieser Song ein so scharfsinnig-authentisches Bild, dass man meint vor allem Sänger Kevin anhören zu können wie die Bilder erneut vor seinem inneren Auge vorbeiziehen. Gut, dass das vorbei ist. 

Erneut aus der Abteilung "Must Play"(?) - "Gehasst, verdammt, vergöttert" (Track 7). Aus meiner subjektiven Sicht zu oft gehört (auch auf den Livedokumenten der Band), aber zumindest nicht so abgehört wie "Mexico" z. B.. Ganz anders geht es mir da mit "Auf die Freundschaft" (Track 8), einer der wenigen Songs von "Memento" mit denen ich nicht so richtig warm geworden bin. Musik bleibt eben immer Geschmackssache, das ist auch bei den Onkelz so, wenngleich hierbei vor allem Kevin's neue Stimmqualitäten besonders klasse zur Geltung kommen (vor allem im letzten Viertel). Eine ganz, ganz andere Nummer ist da schon "Schutzgeist der Scheiße" (Track 9; Anspieltip III), das zwar auch schon auf der Tour 2.000 (DVD/CD) dokumentiert wurde, auf "Live in Dortmund II" aber zu einem auf jenen Abend festgenagelten Unikat wird. Da passt "Lieber stehend sterben" (Track 10; Anspieltip IV) bestens ran. Dieses Mal klingt "Lieber stehend sterben" dank des Basslaufs, der an der genau richtigen Stelle im Sound den Kick mitgibt, deutlich Pogo-, Rock-, Headbang-affiner denn je. Macht ordentlich Laune mit dem Drive, den diese Livekarre an dieser Stelle fährt. 

Zu "Nur die Besten sterben jung" (Track 11) ist längst alles gesagt. Must Play - Diskussion überflüssig. Nicht einfach zu "Jeder kriegt was er verdient" (Track 12) überzugehen, womit ein weiterer "Memento" Song auf die Karre aufspringt. Typisch lässige Onkelz Nummer, bevor man mit "Dunkler Ort" (Track 13; Anspieltip V) Ankunft in der fast realen Giger (R.i.F.) Welt zelebriert. Für mich nach wie vor einer der ausgewogensten Onkelz Songs ever. Hört sich weder ab, noch verliert der Song je den Bezug zur Realität. Nicht nur gedankliches Aufwärmungsfutter für Fans bzgl. des diesjährigen "Matapaloz" Festivals am Hockenheimring Mitte Juni, dürfte sowohl "Dunkler Ort" (zumindest was man Interviews bereits entnehmen konnte) als auch dieses Livealbum zum perfekten Ohrenschmaus für viele Ticketbesitzer/Fans werden. Um es mal mit anderen Worten auf den Punkt zu bringen, die Onkelz sind in einer Form, die sie wohl bislang so noch nicht in Karriere hatten - so paradox sich das vielleicht auch lesen mag.

"Wiedermal 'nen Tag verschenkt" (Track 14). Oft gehört, immernoch fähig tief reinzugehen, vor allem, wenn man direkt in der Dortmunder Westfalenhalle steht und inbrünstig mitgeht, weil es so viel ja nicht mehr zu verlieren gibt in dieser verrückten Welt und ihren Couchrichtern, Besserwissern, Unruhestifern, Diktatoren etc.. Da wird man direkt von der Demut gepackt das alles täglich zu stemmen (auch beim Hören dieses Albums) und kann nur dankbar sein, dass auch die vier Frankfurter noch gemeinsam auf der Bühne stehen. Und das sage ich gewiss nicht nur all' der Berg- und Talbahnfahrten rund um Kevin Russell wegen. Zu dieser Band gehören 4 (*bzw. im Live-Fall 5; da Stephan Weiler im Background am Keyboard mitspielt) Individuuen, die -jeder für sich- auch eigene Wege beschritten haben. Auf Demut folgt Feierstimmung - "52 Wochen" (Track 15). Mit "52 Wochen" geht ein weiterer "Memento" Song ins Rund, der mich nicht so wirklich packen konnte. Dafür macht der darauffolgende, noch immer direkte "Danke für nichts" (Track 16) den Boneshaker und klingt in dieser Version kompakter denn je. Fast ein wenig "gewohnt" fühlt es sich beim Hören an, trotz der flüssigen Zahnräder, die hier ineinander greifen. 

Mit "Bomberpilot" (Track 17) kommt eines der misverstandesten Stücke der Onkelz Geschichte zum Zuge. Das Antikriegsstück, das den Wahnsinn des Krieges auf den kranken Punkt bringt, ist aktueller denn je und wird es vermutlich leider so lange bleiben bis der Mensch grundlegende Dinge des Miteinanders verstanden hat. Sicher, darüber möchte man während eines Konzertes nicht nachdenken, schon gar nicht nach den Geschehnissen in Manchester vor einigen Tagen. Realitätsverweigerung/-totschweigen war aber immer eine Thematik, die den Onkelz Thematisierungsinhalt für diverse Stücke bot. Die Onkelz flüchteten oft nach vorn, so viel ist klar, aber das wissen sie selbst sicher am Besten und werden es auch sicher nicht vergessen. Das schwingt auch bei Stephan Weidners Ansage nach "Bomberpilot" als Brücke zu "Wo auch immer wir stehen" (Track 18; Anspieltip VI) mit. Mit "Wo auch immer wir stehen" kommt endlich eines der Mitnehmer/Gänsehautstücke von "Memento" in Breitbandformat zur Blüte. Schon an der Studioversion konnte man die Freude mit Demut kuscheln spüren. Auch hier- und hier besonders(!) zeigt sich Kevin Russell in stimmlicher Höchstform. Aus der rauen Stimme von einst ist ein echter Sänger geworden, der seine Stimme, trotz bzw. genauer gesagt MIT dem rauen Charme einzusetzen weiß. Da passt auch ein fieser Wadenbeißer wie "Mach's dir selbst" (Track 19; Anspieltip VII) als Motivationsfutter mit all' seiner scharfen Würzung bestens in den Lauf. Die Qualitäten von "Mach's dir selbst" als Motivationswerkzeug schreiben sich mit dieser Liveversion wie von selbst auf das Memory Board. Ein großartiger "Memento" Rocker. 

Gonzo's Spielfreude merkt man dem Fluß (nicht nur) dieses Albums an. Wenngleich man auch Ansagen/Worte von ihm oder Kevin an das Publikum vermisst, so lässt Gonzo in dem Fall mit dem Publikum spielend, die Saiten sprechen, indem er "Auf gute Freunde" (Track 20) anstimmt und Raum für Spannung aufbaut. Auch 20 Jahre zuvor erfreute sich diese Gassenhauerhymne einer Liveversion auf "Live in Dortmund", womit man den Direktvergleich ggf. wagen kann, sofern man denn möchte. Insgesamt klingt diese Version hier leichter auf den Füßen, mit weniger Schwere im Gepäck. Vielleicht bilde ich mir das aber auch nur ein? 

Es geht nun langsam in Richtung Finale mittels des Zugabeteils. Irgendwie merkt man den Finalgang am Spannungsbogen, der bei den dokumentierten Onkelz Livealben/-konzerten der letzten 20 Jahre oft von ähnlichem Aufbau war. Logisch, dass ein spielfreudiges "Wir ham' noch lange nicht genug" (Track 21), das in das grosshallenzugeschnittene-, raumfüllende "Kirche" (Track 22) übergehend genauso wenig fehlen darf wie der unersättliche Dauerburner "Mexico" (Track 23), der bei vielen Fans noch immer den Schalter zum Pogopit umlegt und meist auch Bengalos (was sich zukünftig der Sicherheitsstandards [nach Paris und Manchester] wegen sicher ändern wird) irgendwo in der Masse auftauchen lässt. 

Vor dem obligatorischen Ende mit "Erinnerungen" (Track 24) gibt es noch warme Worte ans Publikum, dieses Mal auch von Gonzo und knapp auch von Kevin, was dem Finalgang noch etwas mehr Nähe mitgibt.

Auch dieses Livedokument des Frankfurter Vierers wird seine Käufer im Selbstlauf finden, da muss man kein "falscher Prophet" sein. Sound- und spieltechnisch insgesamt ein energetischer Freu(n)densprudel. Der Punkt, der die meisten wohl eher zwischen Erwartung und Wunsch diskutieren lassen dürfte, dürfte den selben sicher heiß-diskutierten, bandinternen Punkt treffen - viele Songs im Liveset gehören zum "Must Play", andere würde man sicher gern ins Set nehem. Aber da treffen dann sicher auch teils vier unterschiedliche Wünsche aufeinander. Wie viel Spielraum da letztlich bleibt, kann man sich eventuell ausrechnen. Dennoch hätten es mehr selten oder gar nicht gespielte Songs sein dürfen, "Zieh' mit den Wölfen" z. B. hörte man zuletzt auf dem "Live in Vienna" Album (*1.992). Aber gut, eine gute, ausgewogene Auswahl zu treffen, dürfte auch in Zukunft nicht leichter für die Onkelz werden. Mit "Live in Dortmund II" haben die Onkelz ein weiteres, live-haftig-würdiges Kapitel in ihre historsche Bandchronik geschrieben.

V.Ö.: 26.05. 

 

8,0/10 Schafe Schüsse

(Matapaloz/Tonpool 2.017)

http://www.onkelz.de/

https://www.facebook.com/boehseonkelzoffiziell

Danny B

Schaf Schüsse: 

8
Eigene Bewertung: 8

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