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ZERFALL, Ostkreuz in Flammen

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

01-2015

Label: 

Genre(s): 

Die (Ost-)Berliner Band Zerfall kennen heutzutage leider noch viel zu wenige innerhalb der sogenannten Szene, zumal es gerade mit sogenannten "Ost-Punk-Bands" auch immer etwas schwieriger war z. B. in Westdeutschland bekannter zu werden. Zerfall ist eine jener Bands, die es schon zu Zeiten der DDR gab (gegründet 1.983), ihrem Umfeld zugehörig waren auch die "Blauen Möwen", eine Ostberliner Clique von sogenannten "Staatsfeinden" unter Hammer, Sichel und Ährenkranz. Die Beobachtung durch den "Staatschutz", sprich durch die Damen und Herren der Stasi war ihnen dank Songs wie "Besatzer raus!" schnell sicher. 

2.008 feierten Zerfall 25jähriges Daseinsjubiläum und brachten in folge dessen auch eine CD mit alten Aufnahmen (inkl. raren Liveaufnahmen aus den '80ern) raus, was auf 2.009 datierbar sein dürfte (sofern ich mich richtig entsinne?!). Bei der Limited Edition gab es sogar eine Live DVD obendrauf. Nachdem es immer wieder Besetzungswechsel gegeben hatte, dauerte es etwas bis Zerfall sich endlich an die Aufnahmen machen konnten, die nun 6 Jahre später diesem Album vorliegen. Ich war äusserst gespannt, wie Zerfall anno 2.015 tönen? Was lange währt...? 

Mit "Ostkreuz" (Track 1) eröffnen Zerfall und tönen vom Sound her schön old school, nur mit dem Vorteil der heutigen Zeit, dass der Sound doch schön klar, anstatt verrauscht oder zu dumpf produziert klingt. Mit etwas Glück bzw. mit vielen offenen Ohren dürfte dieser Song Kultstatus erreichen. Auch das folgende "Haut ab" (Track 2), das gerade mal 1:53 Minute kurz ist, geht der Daumen dank Attitüde und Aufbegehren (wie man das im Normalfall von einer Punkband sein sollte) nach oben. Gedanklich fühlt man sich ein klein wenig an den alten Song "Besatzer raus!" erinnert. Zwar schön schrammelig, aber auch leicht schräg, tönt "I Don't Need Your Fucking World" (Track 3), bei dem es an etwas Abwechslung im Direktvergleich mit anderen Bands heutzutage fehlt. 

Dass Zerfall ihre Stadt "Berlin" (Track 4; Anspieltip I) einmal mehr "würdigen" und bewusst oder unbewusst an ihren alten Song "Berlin, scheiß Stadt" erinnern, zumal der alte Songtitel mitschwingt, ist legitim, wird aber so manche/ -n Berliner/ -in nicht gerade Zerfall-gnädig stimmen. ;-) Egal, Punk muss ja auch anecken. ;-) Und wenn man Berlin heutzutage mit all' den Immobilienhaien genauer betrachtet, bekommt gerade dieser Song tieferen Sinn. Thematik: Szeneausräucherung/ -vertreibung aus dem Originalkiez etc.! 

Hat man bislang einen ersten Sofortzünder erhofft, wird man erst mit "Ghetto" (Track 4; Anspieltip II) belohnt, dafür aber umso mehr. Zwar sind die Themen paradoxerweise den '80er Jahren gar nicht mal so unähnlich, aber letztlich zeigt das just einmal mehr, dass alte Gesellschaftsstrukturen in neuem Gewand, in neuen Uniformen und Staatstellen wiederkehren bzw. präsent sind. 

Mit "Shop" (Track 5) servieren Zerfall dann den ersten alten Song als Neuaufnahme. Vermutlich hatten Zerfall eh noch viele Songs in der Schublade, die möglicherweise erst mit diesem Album veröffentlicht wurden? Wundern würde es mich nicht. "Staatsgewalt" (Track 6) z. B. riecht schwer nach den '80er Jahren. Nachvollziehen kann man den Text sicher zu 100%, wenn man die damaligen Gegebenheiten je selbst erlebt hat. Dass es aber damals wie auch heute nicht immer nur bitterernst zuging und -geht, unterstreicht der Partysong- Sofortzünder "Blau (ein Wind)" (Track 7; Anspieltip III), der vom Blauen Möwen-Geist grün durchtränkt ist. Und wenn schon Party und Stimmung angesagt ist, darf "Bier" (Track 8) und "Pogo" (Track 9) nicht fehlen. Vor allem "Pogo" dürfte so manchen Tanzlehrer/ -lehrling zur Verzweiflung bringen ha, ha. ;-) Sollte das mit dem Pogo nicht klappen, dann einfach die erste Lektion nach alter Schule in Form von "Pfeffi" (Track 10) mitnehmen, danach geht's von ganz allein. ;-) (* aber im Ernst wenn man sich einst an Pfeffi übersoffen hat, wird aus grün schnell gallengiftgrün)

Was es mit "Spinne im Gesicht" (Track 11) auf sich hat bzw. ob "Spinne im Gesicht" ein Anti-Tattoo-Song ist, will sich mir bis heute nicht erschliessen?! Anders ist das mit dem Kultsong "Was soll ich bloss machen?" (Track 12; Anspieltip IV), der eins zu eins ins Heute passt. Zeitloser Zerfall quasi. Generell ist es wirklich erstaunlich wie gut der Zerfall-eigene Sound anno 2.015 funktioniert. Es geht auch ohne den Versuch von ausufernden Soli, manchmal reicht einfach die authentische Attitüde aus - "Irrenhaus" (Track 13). Und so schliesst ein Einblick in den Alltag der '80er Jahre, dessen Kern der "Widerstand" (Track 14; Anspieltip V) war und zum inwendigen Gesetz auf Lebenszeit wurde und geblieben ist. Ein perfektes Statement zum Schluss dieses Albums, das gerade dank des Zerfall-eigenes Sounds aus der Masse hervorsticht und hoffentlich die dementsprechende Würdigung in der Szene findet?! 

Klasse Scheibe, die vor allem eines fett untermauert: Punk's NOT Dead!

 

7,5/ 10 Schafe Schüsse

(Elb-Power Records 2.015)

https://www.facebook.com/zerfallostpunk.de

Danny B

Schaf Schüsse: 

7
Eigene Bewertung: 7

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